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Peter Baldinger´s Danse Macabre nach Hans Holbein

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In seinen Bildern begibt sich Peter Baldinger immer an die Kante dessen, was noch erkennbar ist. Der Künstler fordert den Betrachter auf, zweimal hinzuschauen, denn durch den zweiten Blick eröffnet sich vielleicht ein Werk aus einer anderen Zeit. Diesmal ist es der Totentanz von Hans Holbein, der sich erkennen lässt.
1526 schuf Hans Hollein der Jüngere 41 Holzschnittentwürfe zum Thema des Totentanzes. Jedes etwa so groß wie eine Streichholzschachtel. Und auf jedem dieser etwa 5cm großen Holzschnittentwürfe trifft der Tod auf einen Ständevertreter oder eine Vertreterin. Hans Holbeins Totentanzzyklus beginnt mit der Schöpfung, schreitet voran zum Sündenfall, der Vertreibung aus dem Paradies und kommt dann zu den Schicksalen einzelner Berufs- und Standesgruppen. Der Totentanz endet mit dem jüngsten Gericht. Dort sind alle Menschen gleich. Die Arbeiten von Peter Baldinger werden in der Galerie Dantendorfer, Rankgasse 11, 1160 Wien gezeigt.
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Foto (c) Peter Baldinger

Anton Zeilinger: der Nobelpreisträger und sein Boot

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Anton Zeilinger auf die Quantephysik zu reduzieren ist fahrlässig. Der Nobelpreisträger 2022 hat viele Facetten. Er spielt Chello und lässt sich von der Kunst berühren. Aufgewachsen ist der Präsident der Akademie der Wissenschaften von 2013 bis 2022 im ländlichen Umfeld. Zuerst in seinem Geburtsort, dann in Steinakirchen am Forst und als die Familie 1955 nach Wien übersiedelt, ging er im grünen Hietzing ins Gymnasium.
Für das Buch Lebenswege, Lebenszeiten, Gespräche über das Altern, das im Styria Verlag erschienen ist und bei wissensart@wissensart.at noch bestellt werden kann, hat Anton Zeilinger auch über seine Leidenschaft zum Segeln erzählt. Zu seinem 60. Geburtstag hat er sich deshalb ein Segelboot geschenkt und es am Traunsee verankert. Dabei sollte es jedoch nicht bleiben.
Im ehemaligen Benediktinerinnenkloster in Traunkirchen, später lebten dort Jesuiten, hatte Bildung und Kunst immer einen hohen Stellenwert. Nach der Auflösung des Jesuiten-Ordens in Traunkirchen, ging das Kloster 1773 in den Besitz der Staatsforste über. Bildung und Kunst hatten im Kloster aber weiterhin einen hohen Stellenwert. Ein Heimatmuseum wurde eingerichtet, Veranstaltungen organisiert. 2009 gründete Univ.-Prof. Dr. Anton Zeilinger dort die Internationale Akademie Traunkirchen. Bedeutende Persönlichkeiten aus den unterschiedlichsten Gebieten haben sich seither in diesem bezaubernden Umfeld getroffen; miteinander neue Ideen vorangetrieben, diskutiert und Vorträge für die Bevölkerung gehalten.
Foto: (c) Jacqueline Godany

Aurora: Die zarte Göttin und ihre starken Frauen in Lech

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Aurora, das ist die Göttin der Morgenröte. Folgt man der antiken Mythologie, flog sie ihrem Bruder Sol in der Morgendämmerung voran und färbte den nächtlichen Himmel rosarot.
Sitzt man rechtzeitig im Hotel Aurora beim Frühstück, dann kann man der Rosenfingrigen beim bemalen des Omeshorns zusehen, und sollte man diesen Zauber des Augenblicks übersehen, kommt Diana, die Jägerin der Glücksmomente herbeigeeilt und bittet ihre Gäste hinaus auf die Terrasse um das Schauspiel einzufangen.
Im Nachbarhaus töpfert Lotte Fischer. Ihr tun hat etwas Erdverbundenes, unaufgeregt Kreatives an sich. Früher ließen Lotte Fischers Hände den Garten erblühen, jetzt schaffen ihre Hände Gefäße, einfache schlanken Figuren und voluminöse Vögel.
Töpfern bedeutet nicht nur das Erbe unserer Vorfahren zu bewahren, sondern auch innovativ zu sein. Töpfern heißt für Lotte Fischer mit den Händen ihre Umwelt zu gestalten, zu bereichern und wahrscheinlich auch sich selbst dabei ein bisschen glücklich zu machen, denn manuelle Aktivitäten, dass weiß man aus der Glücksforschung, fördern das Wohlbefinden und arbeiten mit den Händen ist anregend.
Vor der Terrasse balancieren auf Eisenstäben beeindruckende Tonköpfe. Männerköpfe. Sind sie die Wächter des Ensembles aus traditionellem Handwerk und künstlerischem Schaffen? Wendet man den Blick hinüber zum Hotel sieht man eine Bronzeskulpture. Sie lässt an Rodin´s Bürger von Calais denken. Gert Hoor, der gelernte Grafiker und Steinbildhauer aus Hohenems, hat sie erschaffen. Den 2009 verstorbenen Künstler zeichnete der Blick aufs Wesentliche aus. Er war in allen Techniken zuhause. Er beherrschte das Portraitzeichnen, die Öl- und Aquarellmalerei, Grafikarbeiten, Zeichnungen. Seine Erfüllung fand er jedoch in der Steinbildhauerei. Hier verband er die Figürlichkeit des Renaissancekünstlers Michaelangelo mit der impressionistischen Ausdruckskraft von August Rodin zu seiner eigenen Formensprache, zum Beispiel im Garten der Aurora.
Aurora, das ist eine zarte, aber kraftvolle Göttin des Neubeginns. Wer an sie glaubt, hat Hoffnung und Zuversicht, denn sie kommt immer wieder mit dem schwachen Schein des ersten Lichtes. Aurora, so haben Lotte Fischer und ihr Mann das einst kleine Hotel genannt, aus dem nun ein charmantes vier Sterne Hotel mit einer Wellnessoase geworden ist. Geführt wird es von Lotte Fischer´s Tochter Diana, ihrer Enkeltochter Maria Burtscher und deren Mann David Burtscher.
Während meiner vielen Aufenthalte in diesem Hotel, hat sich die Schöne mehrmals gehäutet und ist doch immer die Göttin der Morgenröte geblieben. Kraftvoll die Farben der Fauteuils im Salon, perfekt aufeinander abgestimmt die Gästezimmer und doch jedes individuell gestaltet. Jahr für Jahr gilt es Neues zu entdecken, denn das Schöne braucht Zeit, um zu wachsen und zu gedeihen. Genauso der Garten. Und es braucht Menschen wie Diana Musel, die das Haus immer wieder neu erblühen lässt.
Text: Elisabeth J. Nöstlinger-Jochum
Foto: (c) Elisabeth J. Nöstlinger-Jochum

Jeannette Fischer: Reflexionen über Angst, Hass und das Monster in uns

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Krieg mitten in Europa. Gewalt im Iran. Hass an allen Ecken und Enden und eine Schweizer Psychoanalytikerin, die beim 25. Philosophicum Lech sagt: Hass sei immer auch Selbsthass.
Anders Breivik war 3 Jahre alt, als ihm seine Mutter gesagt haben soll, dass er ein Monster sei. 29 Jahre später hat er auf einer norwegischen Insel 77 Menschen ermordet. Was hat dazu geführt, dass sich dieser Mann so allmächtig fühlte, über Leben und Tod so vieler junger Menschen zu entscheiden? Unter ihnen 69 Teilnehmer:Innen eines sozialdemokratischen Zeltlagers. Die jungen Menschen pflegten ihre Freundschaften, spielten mitsammen, betrieben Sport. Führte die Lieblosigkeit von Andres Breivik´s Mutter zu diesem Hass? Ja, sagt Jeannette Fischer, aber nicht nur und führt ihre Begründung im wissensART Podcast aus.
Folgt man nun der Aussage der Psychoanalytikerin, wonach Hass immer auch Selbsthass sei, dann ist der Andere, der gehasst wird, quasi ein Spiegel des eigenen Selbst. Folgt man diesem Bild, tötet sich dann derjenige der mordet im Ermordeten quasie selbst?
Jeannette Fischer's Arbeiten drehen sich um die Dynamiken einer Beziehung, nicht zuletzt als Ausdruck im Kunstwerk oder als deren biografischer Antrieb. Immer wieder spielt Angst eine wiederkehrende und nicht unbedeutende Rolle; Angst als Folge von Missachtung und Verkennung eines sich selbst bestimmenden Subjektes. Bei allemi spielen das Nachdenken und Forschen über Macht, Gewalt und Angst die Grundlage ihrer Arbeiten.
Seit den 1990 Jahren beschäftigt sich Jeannette Fischer, nachdem sie eine Ausstellung kuratierte, verstärkt mit Kunst. Impliziert dieses Nachdenken auch ein hineinfühlen in den Künstler um zu verstehen, was der Künstler, die Künstlerin durch die Kunst sagen will? Kann dies Erklärung, ohne Vorkenntnisse über die Kunst des Künstlers, der Künstlerin möglich sein?
Hier - wie auch beim Thema Angst und Hass - weist die schweizer Psychoanalytiker, Filmemacherin und Ausstellungskuratorin auf die Anerkennung der Differenz hin, umzu einer breiten Erkenntnis zu gelangen. Mehr darüber ist in ihrem Buch „Angst, vor der wir uns fürchten müssen“, und im Buch „Hass“. Bei Bücher sind bei Klostermann / Nexus erschienen..
Foto: (c) Florian Lechner

Svenja Flaßpöhler im Umgang mit Hass

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Svenja Flaßpöhler wurde einem breiten Publikum in der #me to Debatte bekannt. Es waren nicht die Positionen der Mißhandelten die sie vertrat, sie verteidigte auch nicht jene, die Frauen vergewaltigten oder sexuell missbrauchten, sondern fokussierte ihren differenzierten Blick auf die Opferrolle, die sie zugleich infrage stellte. Solange sich Frauen als Opfer sehen, argumentierte Svenja Flaßpöhler, werden sie als solche behandelt werden, in dieser Rolle gefangen bleiben. Das hat ihr in den Sozialen Medien einen Shitstorm beschert. Trotzdem ließ sie sich nicht entmutigt, argumentierte weiterhin gegen den mainstream Diskurs. Beim 25. Philosophicum in Lech am Arlberg stellte sie ihren Widerstandsgeist erneut unter Beweis. Hassen, so begann die Philosophin und Chefredakteurin des Philosophie Magazins Svenja Flaßpöhler, hassen, gehört in liberalen Gesellschaften dazu und deswegen müssen wir uns damit auseinandersetzen. Das wichtige jedoch sei, ob des Hasses nicht zu versteinern, sondern sensibel zu bleiben, auch gegenüber jenen, die uns hassen.
Foto (c) Florian Lechner

Dasy Hoch: Die Schneemalerin von Lech

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Wenn in Lech dunkel gekleidete Menschen, meist in ein Gespräch vertieft, durch den Ort schlendern, dann beginnt das Philosophicum. 5 Tage lang wird ein Thema interdisziplinär diskutiert. Namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geben in ihren Vorträgen oft eine steile Vorlage für das anschließende Gespräch. So auch der wissenschaftliche Leiter des Philosophicum Lech, Konrad Paul Liessmann bei seiner Eröffnungsrede im September 2022 über den Hass. Konrad Paul Liessmanns Eröffnungsvortag über den Hass, dieser dunklen Leidenschaft, gibt es bereits in einem wissensART Podcast auf meiner Website und überall dort, wo´s Podcasts zu hören gibt.
Mehr als 20 Jahre fuhr ich im Frühherbst nach Lech am Arlberg; machte Interviews für meine einstündige Radiosendung auf Ö 1. Kaum waren die letzten Worte beim Philosophicum gesprochen, war gesagtes auch schon im Radio zu hören. Für meinen wissensART Podcasts gehe ich es gemütlicher an, denn hier löscht die Zeit keine Fakten, ist das Wort nicht flüchtig. Zugleich eröffnet sich ohne Zeitdruck ein anderer Blick auf den 1444m hoch gelegenen Ort.
Dieser Ort schmiegt sich auf 1750 m Höhe in die Landschaft ein. Lech und Oberlech sind eine Gemeinde. Die Einwohner eint aber nicht nur ein gemeinsamer Bürgermeister sondern auch ein Gespür für die Kunst. Skyspace Lech beispielsweise ist ein besonderes Werk von James Turrell. Der international renommierte Künstler schuf einen Lichtraum im Berg und lädt dort zu einem einzigartigen Erleben von Licht und Raum bei Sonnenauf- und Sonnenuntergang ein. „Wir sind uns nicht bewusst, dass wir selbst dem Himmel seine Farbe geben“ sagt der der US-amerikanische Künstler damit auch, wie und aus welcher Perspektive wir in den Himmel blicken.
Erwin Ortner hat mit seinem Schönberg Chors in großartiger Art und Weise die "Nachthelle" von Franz Schubert eingespielt. Hört man dieses Lied, kann man sich Dasy Hoch und ihre Schneebilder vorstellen. 6 Monate im Jahr blickt sie auf Schnee, malt ihn in allen Nuacen und Farben.
Fast täglich geht Dasy Hoch den Waldweg von Oberlech nach Lech hinunter und wieder hinauf. Das sei ihr Meditationspfad, erzählt die Künstlerin, die viele Jahrzehnte mit ihrem Mann das Hotel Sonnenburg geführt hat. 2004 erfolgte die Übergabe das großen Hotelbetrieb an Sohn Georg und dessen Frau Waltraud. Seither widmet sich Dasy Hoch nur noch ihrer Kunst, gestaltet damit das Hotel aus.
Foto (C) Elisabeth J. Nöstlinger

Heinrich Glücksmann: Brückenbauer in neue Zeiten

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Arthur Schnitzler, Stefan Zweig, Karl Schönherr, waren Weggefährten von Heinrich Glücksmann. Der Publizistikhistoriker, Autor von Sachbüchern und Biografie Dr. Gerhard Friedrich hat nun eine Biografie über den „Brückenbauer in neue Zeiten“ vorgelegt. Erschienen ist das Buch beim „korrektur verlag pen austria“.
Mit diesem Buch steht die Welt der alten Habsburger Monarchie wieder auf. Ebenso das Wien im 2. Weltkrieg bis zur Flucht des viel beachteten Kulturjournalisten, Dramaturgen und Redakteur der damals wöchentlich erschienenen Freimaurerzeitung.
Geboren 1863 in Mähren, machte Heinrich Glücksmann als Autor, Übersetzer, Lyriker und Vortragender auf sich aufmerksam. Seit den 1890er Jahren als Lektor und dann ein Vierteljahrhundert als Dramaturg am Deutschen Volkstheater trug er wesentlich zum nachhaltigen Erfolg zahlreicher Dramatiker und deren Stücken bei – unter ihnen Arthur Schnitzler, Karl Schönherr, Franz Molna´r und Anton Wildgans. Sogar als Hitler an der Macht war, konnte der geborene Jude Hermann Blum bis 1941, - wertgeschätzt vom Wiener Statthalter - seine Arbeit fortsetzen. 1943 starb er im argentinischen Exil.
Foto: (c) Heinrich Glücksmann von Atelier Willinger, Wien (Fotograf/Urheber) - 1934 - Theatermuseum (Wien), Austria - CC BY-NC-SA.

Konrad Paul Liessmann über den Hass

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Wenn wir hassen, fühlen wir uns stark. Anders als beispielsweise der Ekel, erlaubt es uns der Hass nicht, uns vom gehassten Objekt abzuwenden. Wir haben es ständig im Visier. Irritiert uns der Hass, so ist es immer der Hass der anderen. Der eigene Hass, so schreibt Konrad Paul Liessmann, ist davon stets ausgenommen. Der eigene Hass, so der Philosoph weiter, ist eigentlich kein Hass, sondern ein Aufschrei, ein Protest, eine kleine Provokation, eine notwendige Empörung, ein Diskussionsanstoß. "Wollen wir dieses Gefühl verbieten?"
Foto (c) Florian Lechner

Hass, die tödliche Energie

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"Der Hass ist allgegenwärtig. Hasspostings überschwemmen die sozialen Medien, „Hate Speech“ ist zu einem beunruhigenden Phänomen geworden, Hassprediger treiben nicht nur im Netz ihr Unwesen, Hass und Hetze sind so weit verbreitet, dass manche Staaten mit Rechtsmitteln und Verboten dagegen vorgehen, verschiedene digitale Plattformen üben eine freiwillige Zensur aus und versuchen, den Hass aus ihren Foren zu verbannen.
In der Ablehnung von Hass und Hetze sind sich alle einig. Aber selten wird gefragt, was Hass eigentlich für ein Gefühl ist, aus welchen Quellen es sich speist, was das Aggressive, Verletzende und Verstörende am Hass ausmacht, aber auch, was das Befriedigende, vielleicht sogar Lustvolle am Hass sein kann." Der Philosoph Konrad Paul LIessmann schrieb diesen Einleitungstext für das Programm des 25. Philosophicum Lech. Gestartet hat er es traditionell mit dem philosophisch-literarischen Vorabend. Eine Erzählung handelt vom Urmord, die uns an den Beginn der Menschheit führt. Sie führt uns zum Mord von Kain an seinen Bruder Abel.

Foto (c) Elisabeth J. Nöstlinger

Kurt Hüpfner: "Eine abseitige Existenz".

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Lebenslauf einer "abseitigen Existenz", geschrieben von Kurt Hüpfner
Geboren 1930 in Wien. Obwohl das Interesse der Malerei gilt (Besuch der Grafischen Lehr- und Versuchsanstalt) komme ich bald zu der Einsicht, als Gebrauchsgrafiker nie Fuß fassen zu können (Schriftphobie). Friste in der Folge das Dasein als Zeitschriftenillustrator und Karikaturist. Gelegentlich auch als Hilfsarbeiter.
Als sich Anfang der 60ger Jahr die finanzielle Situation bessert, erwacht der alte Ehrgeiz wieder. Unter anderem malte ich ein Bild, 128x128 cm groß, weiß und leer: DIE VERSTIEGENHEIT DES WINTERS. Von da ab hätte ich am liebsten bis in alle Ewigkeit leere weiße Bilder gemalt, der ZANGENBEWEGUNG vom Fleisch und Bein entzogen. Die Malerei war kein fliegender Teppich mehr, auf dem man reisen konnte, sondern ein Begräbnisplatz für Farbe und Linien. Nun, sich KEIN Bild zu machen setzt voraus mit der Würde der Anonymität ausgestattet zu sein.
Ich lag in meinem Zimmer auf dem Bett, plattgedrückt wie eine Wanze von den Tatsachen. Die Dinge schwitzen Langeweile aus, die Konturen waren schweißnass, wie ausgequetscht und dieses unübersehbare Feld der Langeweile präsentierte sich Tag für Tag. Nach einer gewissen Zeit wuchs eine Art Flaum auf der Haut, trocknete aus und verkrustete. Ich war sozusagen eingegipst in die Gegenwart wie ein Vogel in seinem Ei und ich begann die Welt nach einem schwachen Punkt abzuklopfen.

Der Not gehorchend verlegte ich mich auf den Diebstahl von Bauholz. Jeder wahre Künstler ist ein Dieb. Mir blieb kein anderer Ausweg, als einen gestohlenen Holzpfosten, in dem sich Weisheit verewigt hatte, blind wie eine Fledermaus, zu einen Fetisch zusammen zu hacken, dabei ganz Ohr, nur von Schallwellen dirigiert.
Mit Seegras aus einer gestohlenen Matratze komplettiert und mit bemalten Wäschefetzen, auf Rahmen genagelt, verfügte ich nach einer gewissen Zeitspanne über eine Anzahl von Bildwerken, darunter auch OMEN. Ein Omen ist das Los das uns zu Teil wird, UNVERKNÜPFT mit der ARGUMENTATIVEN Beweiskraft des reflektierenden Bewusstseins, das substantiell nicht verwertbar ist. Neubeginn mit Naturstudien und nach Modell, um nicht mehr den Depressionen ausgeliefert zu sein. Erfahrung mit automatischen Zeichnungen, einer Praxis, die auch in der Zukunft beibehalten wird. Verfertigung im Winter 1962/63 DER ersten Plastik aus Gips kombiniert mit Seegras. In der Folge entstehen eine Reihe von bemalten Holzreliefs.

Anfang der 70ger Jahre Kontakt mit der Galerie in der Blutgasse, welcher infolge Wechsels in der Leitung IM Sand verläuft. Hänge alle Bestrebungen an den Nagel, werde Hilfsarbeiter und schließlich Privatchauffeur. Schlittere in immer ärgere Depressionen, quittiere nach einem Jahr den Dienst und unternehme einen neuen Anlauf, wieder mit Naturstudien, der sich als sehr schwierig gestaltet. Die Geldfrage spielt wieder eine Rolle. Malerei intensiv ausgeübt war zu teuer. Conzept-Art kostete fast nichts, STELLTE sich aber als Holzweg heraus. Blieb die Verfertigung fetischartiger Figuren aus Bauholzresten, Seegras und Vogelfedern. Auch Gips kam in Frage.
Um 1980 weniger Depressionen, die Malerei beginnt wieder eine Rolle zu spielen. An Stelle von ABFALLHOLZFETISCHEN tritt die LINDENHOLZSKULPTUR. Und die Imitationen von STEINBILDHAUERARBEITEN durch Herausschlagen von Figuren aus gegossenen Gipsblöcken. Anfang der 90ger Jahre beenden Beschwerden der Nachbarn wegen Lärmbelästigung diese Periode und zwangen zu einer lautloseren Beschäftigung. Hinwendung zur Malerei und zum Modellieren in Ton.
Wenn Kunst beschreibbar ist, wird sie an das Fußende des Bettes gekettet, wo das Wort missbraucht wird. Die Ideologie brütet ein Windei. Aber ich engagiere mich nicht.
Ich habe meine Götzen gefunden, die dem Nichts seine Tarnkappe entreißen und als Wirklichkeit bloßstellen.
Dies zur gefälligen Beachtung (bei entsprechender Nachsicht).
Foto (c) Selin Stütz

Über diesen Podcast

wissensART der Podcast, der Wissenschaft und Kunst vereint

von und mit Elisabeth J. Nöstlinger-Jochum

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