wissensART Die Macht der Kränkung
Durch Kränkungen lernen wir auch jenen Menschen besser kennen, der uns kränkt. „Jetzt hat er uns sein wahres Gesicht gezeigt“, sagt ein Sprichwort. Und genau darum geht es: Wir lernen den kränkenden Menschen von seiner bisher nicht gekannten Seite kennen, können ihn einschätzen und damit umgehen. Distanz ist dafür immer ein guter Ratgeber. Immerhin sind Kränkung mehr als ein Gefühl, mehr als eine Emotion oder ein Affekt. Reinhard Hallers Analyse ergibt eine multiple Interaktion zwischen kränkender und gekränkter Person, sowie dem Kränkungsinhalt und der Kränkung an sich. Als einer der wichtigsten sozialen Mechanismen hat sie die Bedeutung einer sozialen Großmacht, schreibt Reinhard Haller, ist stärker als Ärger und Unzufriedenheit, nachhaltiger als Zorn und Wut, sowie folgenschwerer als Frustration und Trauer. Kränkungen quälen Neurotiker und hetzen Querulanten, sie stacheln Amokläufer und Terroristen an, sie motivieren Kriegsreiber und Diktatoren. Und: Kränkungen machen krank. Außerdem gehen Kränkungen weit über zwischenmenschliche Ereignisse hinaus. Neuesten Untersuchungen zufolge spricht man sogar davon, dass die gesamte Menschheit gekränkt sein könnte, weil sie in ein paar Jahren nicht mehr im Mittelpunkt des Alls stehen könnte. Die größte aller Kränkungen aber ist der Tod.
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